Mitte Januar dieses Jahres kontaktierten Leonie Stieber & Josef Reiß den TSC Sibylla. Die zwei jungen Schüler der Freien Waldorfschule Rastatt waren auf der Suche nach Unterstützung für ihren Tanz im Rahmen des künstlerischen Abschlusses. Auf Rat ihrer Lehrerin und Standardtänzerin unseres Verein Ute Frieda Treppke schnupperten die zwei in die Mittwochs- und Freitagstrainingseinheiten der Turniergruppen des Vereins und brachten den Mut auf, die erfahrenen Tänzer und Trainer des Vereins zu bitten, ihnen bei der Choreographie für die Abschlussaufführung zu helfen.
Sowohl die Tänzer, allen voran Tatjana Beinhauer, B-Standard- und C-Lateindame sowie Sportwartin des Vereins, als auch die Trainer Anette Groß und Rudi Gallus-Groß erklärten sich bereit die zwei jungen Leute bei ihrer Mission „Mackie Messer meets Tango Argentino“ zu unterstützen. Für das Entwerfen der Choreographie, Einstudieren der Schritte und Austrainieren der Technik blieb wenig Zeit, denn schon am 11. März 2016 sollte die Performance bühnenreif sein. Aus diesem Grund gingen alle Beteiligten mit größter Akribie an diese Unternehmung. Seitens der Waldorfschule war Leonie und Josef ein Rahmen gesetzt worden, sodass das Auswählen der Musik für den Auftritt nicht mehr notwendig war. Der gesamte künstlerische Abschluss der Waldorfschule stand unter dem Motto der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht mit der Musik von Kurt Weill. Bei dem Stück, das Leonie und Josef für ihren Auftritt zugeteilt wurde, handelte es sich um kein geringeres als die berühmte Zuhälterballade der Dreigroschenoper.
Nach mehrmaligem Anhören des Stücks stellte sich schnell heraus, dass auf diesem Stück kein klassischer Tango Argentino möglich sein würde, sondern nur eine individuell zur Musik und Tänzern passende Choreographie den Erfolg bringen konnte. Doch zunächst galt es dem jungen Tanzpaar die Grundlagen des Tango Argentino zu vermitteln. Denn obwohl beide sehr sportlich sind und aus dem Handball und Modern Dance Bereich kommen, fehlten ihnen doch die Grundlagen des Tanzsportes und des Tango Argentino. Die Anfänge machten die Trainer des Vereins und zeigten den beiden die Grundfiguren und Schritte des Tango Argentino – parallel zum laufenden Gruppentraining der Turniertänzer.

Die Gestaltung und Zusammenstellung der Choreographie sowie die Betreuung des Paares über die ganze Zeit übernahm Tatjana. Neben zahlreichen Techniktipps choreographierte Tatjana gemeinsam mit Leonie und Josef die gesamte Zuhälterballade in der Länge von 4:30 Minuten durch. Die Schwierigkeiten lagen vor allem im ständig wechselnden Rhythmus des Sprechgesangs sowie in der Gestaltung der Schrittabfolgen für die Tango Argentino-Neulinge. In zahlreichen Freitagabend-Trainingseinheiten, die zum Großteil nach der Standard-Practice ab 22:30 Uhr stattfanden, sowie zusätzlichen Trainingseinheiten am frühen Donnerstagabend stellte Tatjana unter Berücksichtigung des Könnens der beiden Jungtänzer eine Choreographie mit abwechslungsreichen Rhythmuswechseln, Posen und Showelementen zusammen. Neben dem Ablauf der einzelnen Figuren waren auch Körperspannung, der Ausdruck des Paares und die Identifizierung mit der darzustellenden Rolle Thema in den Trainingseinheiten. Im Laufe der Wochen sammelten Leonie und Josef, die zur Stärkung ihrer Tanzverständnisses auch am normalen Gruppentraining teilnahmen, zusehends Selbstsicherheit und entwickelten eine Identität für ihre Rollen als „Zuhälter“ und „Prostituierte“. Auch die Ausdefinierung der Choreographie ging stetig voran. Leonie und Josef fügten ihre eigenen Elemente zum Gesamtbild hinzu und arbeiteten konzentriert auf den großen Moment hin.

In den letzten paar Tagen vor dem großen Auftritt ging es nun an den Feinschliff für die Jungtänzer. Kostüme, Haare und Make-Up mussten gewählt, besprochen und ausprobiert werden. Für Josef fand sich neben schwarzen Schuhen ein elegantes Outfit in schwarz mit roter Krawatte, so dass er perfekt in die Rolle des Zuhälters schlüpfen konnte. Für Leonie galt es ein Outfit zu finden, dass ihrer Rolle als Prostituierte und Frau des Zuhälters entsprach, jedoch nicht zu billig wirkte. Neben einem kurzen, aufreizendem Fransenkleid, Netzstrümpfen und einer tangotypischen roten Blume im Haar wurde das Outfit rote Tanzschuhe als Eyecatcher komplettiert. Dem großen Moment stand somit nichts mehr im Wege.
Am Freitag, den 11. März 2016, war es dann soweit. Nachdem bereits zahlreiche Mitschülerinnen und Mitschüler von Leonie und Josef ihr Können in Sprechgesängen und Eurythmie unter Beweis gestellt hatten, bildeten Leonie und Josef den Höhepunkt und Abschluss des Abends.
Kurz vor dem Auftritt vor mehreren hundert Leuten noch enorm aufgeregt und nervös, brachten Leonie und Josef ihre Choreographie fehlerfrei und ausdruckstark auf die Bühne – und das, obwohl der Schwierigkeitsgrad durch die live vom Chor gesungene Zuhälterballade deutlich erhöht war. Gefangen von der ungewöhnlichen Interpretation der Zuhälterballade und hingerissen von der außerordentlichen Performance des jungen Paares, erhielten die beiden ohrenbetäubenden, nicht abreißenden Applaus und Standing Ovations.
Die Mission „Mackie Messer meets Tango Argentino“ ist mit herausragendem Erfolg abgeschlossen und für Leonie und Josef der Grundstein für eine vielversprechende Tanzsportkarriere gelegt worden.
„Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Trainern Anette und Rudi sowie bei unserer Choreographin Tatjana Beinhauer, die sich alle die Zeit genommen haben, uns auf den künstlerischen Abschluss vorzubereiten und ohne die dieser großartige Erfolg der Performance nicht möglich gewesen wäre.“
Leonie Stieber und Josef Reiß

Artikel: Tatjana Beinhauer